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Projekt der Monate Juli/August 2023

Klimaschutz durch Flurbereinigung; Landkreis Nordsachsen

Blick über das Projektgebiet
Blick über das Projektgebiet  © Thorsten Hindemith

Am Beispiel des Naturschutzgroßprojekts »Presseler Heidewald- und Moorgebiet« soll im Folgenden gezeigt werden, wie es in enger Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Flurbereinigung gelungen ist, die durch die Wiedervernässung entstandenen Konflikte einvernehmlich zu lösen und das Projekt erfolgreich abzuschließen bzw. dessen Umsetzung überhaupt erst zu ermöglichen.

Entwässerte Moorböden stellen eine bedeutende Quelle von Treibhausgasemissionen dar. Jährlich werden in Deutschland ca. 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus entwässerten Moorböden emittiert. Dies entsprach im Jahr 2020 ca. 7,5 % der gesamten Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik Deutschland.[1] Die Wiedervernässung trockengelegter Moorstandorte nimmt daher eine Schlüsselstellung beim Klimaschutz ein und trägt darüber hinaus zum Erhalt der Biodiversität, zum Naturschutz, sowie zur Regulierung des Landschaftswasserhaushalts bei.

Rund 70 % der Moorböden befinden sich derzeit in land- und ca. 15 % in forstwirtschaftlicher Nutzung. Daher sind Projekte zur Wiedervernässung von Moorstandorten von vorneherein konfliktbeladen. Denn vernässte Flächen sind in der Regel nicht bzw. nur für sehr spezielle Nutzungen geeignet. So zeigt sich oftmals, dass gut gedachte und gesellschaftlich gewünschte Projekte auch dann nicht umsetzbar sind, wenn hierfür ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen.

Es gilt daher Lösungen zu finden, die auch den heutigen Landnutzern Perspektiven bieten. Große Bedeutung hat dabei die Flurbereinigung, da sie als einziges Instrument Grundstücke großflächig neu ordnen kann. Durch diese Neuordnung können sich wiedersprechenden Nutzungen getrennt und flankierende Maßnahmen (z. B. Erschließungswege) umgesetzt werden.

[1] Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz; Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Wiedervernässung land- und forstwirtschaftlich genutzter Moorböden (Entwurf)

Das Naturschutzgroßprojekt »Presseler Heidewald- und Moorgebiet« (NGP) liegt im Naturpark Dübener Heide nordöstlich von Eilenburg im Landkreis Nordsachsen. Das Kerngebiet mit einer Größe von circa 4.400 Hektar ist vor allem durch großflächig ausgebildete Moor- und Bruchwaldgebiete gekennzeichnet. Umfangreiche Maßnahmen, insbesondere der Torfabbau ab dem 19. Jahrhundert sowie die großflächige Entwässerung der Moore und Wiesen zwischen den Jahren 1970 und 1990 führten jedoch zu einer zunehmenden Austrocknung des Bodens. Der Torfkörper wurde durch diese Maßnahmen stark beeinträchtigt. In Folge dieser Eingriffe entstand ein bis zu 60 Zentimeter großer Höhenverlust des Geländes.

Das NGP verfolgte das Ziel, diese einzigartige Niedermoor- und Heidelandschaft insbesondere durch den Erwerb naturschutzfachlich wertvoller Flächen zu Gunsten des Naturschutzes zu sichern und Biotop verbessernde Maßnahmen durchzuführen. Träger des NGP war der Zweckverband Presseler Heidewald- und Moorgebiet (ZV), der vom Landkreis Nordsachsen sowie dem NABU Sachsen gebildet wurde. Das Projekt hatte eine Laufzeit von 1995 bis 2009 und einen Finanzierungsumfang in Höhe von 8,9 Mio. Euro (Bund, Freistaat Sachsen, Eigenmittel des ZV).

Im Zuge der Umsetzung des NGP zeigte sich, dass ein wichtiges Projektziel – die Renaturierung und weitgehende Wiederherstellung des natürlichen Grundwasserspiegels im Bereich der Wöllnauer Senke – nicht erreicht werden konnte. Hauptziel dieser Maßnahme war der Stopp des Wasserabflusses aus dem Wildenhainer Bruch, einem der wichtigsten Moore im NGP, sowie die Stabilisierung und Reaktivierung der im Bereich der Wöllnauer Senke existierenden Restmoore. Diese Flächen wurden intensiv landwirtschaftlich genutzt. Ihr Anteil beträgt circa 1/10 der Fläche des Naturschutzgroßprojektes.

Karte mit eingezeichnetem Planungsgebiet des Zweckverbands
Übersicht des Planungsgebietes des Zweckverbands  © Thorsten Hindemith

Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeutet die zunehmende Vernässung eine Einschränkung in der Bewirtschaftung bis hin zur Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung der Flächen. Angesichts der komplexen Ausgangslage wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, der naturschutzfachliche und landwirtschaftliche Fachleute angehören. Diese Arbeitsgruppe hatte sich das Ziel gesetzt, die naturschutzfachlichen Projekte umzusetzen und gleichzeitig die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern. Die Kooperation aller Beteiligten führte schließlich dazu, dass eine Einigung zur Abgrenzung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und der Flächen für die Renaturierung erreicht werden konnte.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung, die Erreichung der Ziele des NGP und zur Beseitigung der aus der Projektumsetzung erwachsenden Landnutzungskonflikte ist eine auf die zukünftige Nutzung abgestimmte Eigentumsstruktur. Zwar konnte der ZV im Gebiet mehr als 300 Hektar freihändig erwerben, aus verschiedenen Gründen (keine Verkaufsbereitschaft, unbekannte Eigentümer u. ä.) war eine vollständige Flächenverfügbarkeit aber nicht erreichbar. Damit drohte die Umsetzung dieser wichtigen Maßnahme zu scheitern.

Mit Hilfe der Flurbereinigung konnten zunächst in über 40 Verfahren des Freiwilligen Landtausches nach § 103a FlurbG ca. 125 Hektar verstreut liegende Tauschflächen des Zweckverbandes in das Kerngebiet getauscht werden. Eine abschließende Regelung für einen größeren Teil der betroffenen Flächen war damit aber immer noch nicht möglich. Der Zweckverband beantragte deshalb im Jahr 2008 ein Flurbereinigungsverfahren mit dem Ziel, eine abschließende eigentumsrechtliche Regelung herbeizuführen. Das Amt für Ländliche Neuordnung des Landratsamtes Nordsachsen leitete daraufhin ein Vereinfachtes Verfahren nach § 86 Absatz 1 FlurbG ein. Das Verfahrensgebiet mit einer Größe von circa 1.950 Hektar deckt sich vorwiegend mit dem südwestlichen Gebiet des Naturschutzgroßprojektes. Insgesamt sind 450 Besitzstände und 13 landwirtschaftliche Betriebe beteiligt.

Im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens werden die für die Vernässung vorgesehenen Flächen mit ertragreicheren Flächen außerhalb des Kerngebietes getauscht. Weiterhin wurden mit geeigneten landwirtschaftlichen Betrieben langfristig günstige Pachtverträge für die Nutzung der Flächen im Kerngebiet abgeschlossen.

Die Planungen des ZV sahen für das Kerngebiet auch Unterbrechungen der bestehenden Wegeverbindungen vor. Um die Erreichbarkeit der landwirtschaftlichen Flächen und damit auch die Akzeptanz bei den Landwirten sicherstellen zu können, war es notwendig, das ländliche Wegenetz den neuen Anforderungen entsprechend anzupassen.

Besondere Schwierigkeiten entstanden dabei durch die Lage einiger wichtiger Wegeverbindungen in naturschutzfachlich hochsensiblen Bereichen. So verlief der Hauptweg zwischen Wöllnau und Pressel in einem Teilbereich durch ein FFH-Gebiet. Der für die Nutzung mit landwirtschaftlicher Großtechnik erforderliche Ausbau hätte zu einem deutlichen Eingriff in das FFH-Gebiet geführt. In enger Abstimmung mit dem Naturschutz und dem Forst gelang es, die Wegeverbindung am Rand des FFH-Gebiets entlang zu legen.

Bild links: Alter Weg von Wöllnau nach Pressel; Bild rechts: Beispiel eines neu gebauten Spurwegs mit Ausweichstellen im Verfahrensgebiet
Bild links: Alter Weg von Wöllnau nach Pressel; Bild rechts: Beispiel eines neu gebauten Spurwegs mit Ausweichstellen im Verfahrensgebiet  © Thorsten Hindemith

Das Flurbereinigungsgebiet wird auf einer Länge von ca. 6,3 km vom Schwarzbach durchflossen. Zur Verbesserung der Durchgängigkeit und der Wasserqualität des Gewässers wurden von der Teilnehmergemeinschaft in diesen Abschnitt mehrere Wehre zurückgebaut. In den Bereichen der zurückgebauten Wehre wurde der Bachlauf naturnah gestaltet. Insbesondere wurde der Querschnitt eingeengt, um eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit zu erreichen. Hierdurch wird das Zuwachsen des Bachlaufs verhindert.

Bild links: Altes Wehr; Bild rechts: neu gestalteter Schwarzbach
Bild links: Altes Wehr; Bild rechts: neu gestalteter Schwarzbach  © Thorsten Hindemith

Die Böschung wird auf Wunsch der Unteren Wasserbehörde lediglich mit Weidenstecklingen versehen. Ansonsten soll sich der Bach seinen eigenen Weg bahnen können. Auf einer Länge von fast zwei Kilometern wird die Bepflanzung am Schwarzbach dabei soweit ergänzt, dass ein sehr hoher Beschattungsgrad des Gewässers erreicht werden kann. Es werden lediglich, wechselseitig Lücken gelassen, sodass weiterhin eine Unterhaltungspflege möglich ist. Ziel ist es, dass durch den hohen Beschattungsgrad langfristig keine Unterhaltungspflege mehr erforderlich ist.

Die Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens ermöglichte es, dass der ZV die notwendigen Maßnahmen wie geplant durchführen konnte. Dazu wurde er über mehrere vorläufige Anordnungen nach § 36 FlurbG vorzeitig in den Besitz der für die Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen notwendigen Flächen eingewiesen. Im Jahr 2021 konnte das letzte Teilprojekt des NGP – der Bereich »Wöllnauer Senke Zentrum« - vollständig auf 65,3 Hektar umgesetzt werden.

Naturnah gestalteter Bachlauf im Verfahrensgebiet
Naturnah gestalteter Bachlauf im Verfahrensgebiet  © Thorsten Hindemith

Parallel dazu führte die Teilnehmergemeinschaft insgesamt 14 ergänzende Maßnahmen durch. Die entstandenen Gesamtkosten von rund 1,5 Mio. Euro wurden mit Mitteln der Integrierten Ländlichen Entwicklung der Gemeinschaftsaufgabe »Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes« durch den Bund und den Freistaat Sachsen gefördert.

Im Oktober 2022 fand in Pressel die feierliche Abschlussveranstaltung zum Naturschutzgroßprojekt »Presseler Heidewald- und Moorgebiet« statt. Der zur Durchführung des Projekts gegründete Zweckverband hat sich inzwischen aufgelöst und wird derzeit abgewickelt. Die Eigentumsflächen und die Verpflichtungen (z. B. Monitoring, …) werden vom Landkreis Nordsachsen übernommen.

Wenn andere bereits ihre Erfolge feiern, wird im Flurbereinigungsverfahren noch weitergearbeitet: es wird nun die endgültige Neuverteilung aller Flächen vorbereitet. Nach Durchführung der Wunschtermine, in denen alle Grundstückseigentümer ihre Vorstellungen zur Lage der neuen Flurstücke äußern können, werden in den nächsten Jahren der Flurbereinigungsplan erarbeitet, alle Flächen neu vermessen und die öffentlichen Bücher berichtigt. Bis dahin wird sich die Wöllnauer Senke bereits zu einem lebendigen Biotop entwickelt haben und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Landratsamt Nordsachsen
Dezernat Bau und Umwelt
Amt für Ländliche Neuordnung
Obere Flurbereinigungsbehörde
04855 Torgau

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